Studio Experimentelles Design
Public Design Support Raman, Turkey
Im Rahmen des Projektes Terrestrial Cosmologies arbeiteten Studierende der Öffentlichen Gestaltungsberatung des Studios Experimentelles Design ab Januar 2023 mit Studierenden der Fine Arts Academy Batman, Türkei, und der Free University of Bolzano, Italien zusammen. Nach einer Phase der Forschung und des Austauschs, die online stattfand, trafen sich die Teilnehmer_innen vom 25 April bis 8. Mai 2023 in der Stadt Batman und der angrenzenden Region im Südosten der Türkei. Pelin Tan, Filmprofessorin an der Fine Arts Academy Batman, ist Mitglied des Kollektivs Arazi Assembly, das den südost-türkischen und den iranischen Raum bezüglich migrationspolitischer und ökologischer Fragen erforscht und so Grundwissen über die Region Raman am Fluss Tigris beisteuerte. Das Gebiet mit seiner traditionell multiethnischen, syrischen, arabischen, jesidischen und kurdischen Bevölkerung, in dem seit den 1940er Jahren Öl gefördert wird, ist von Konflikten und Kämpfen mit der türkischen Regierung und globalisierten wirtschaftlichen Interessen geprägt.
Hier setzten die Recherchen der Studierenden aus Hamburg, Batman und Bozen an. Sie gingen eher informell vor, wurden in den kurdischen und jesidischen Dörfern zum Tee und zum Essen eingeladen und führten dabei Gespräche mit lokalen Akteur_innen in den unterschiedlichen ländlichen Lebensgemeinschaften. Dabei erfuhren sie unter anderem, dass große Bauprojekte in der Region fast nie dem Wohl der einzelnen Gemeinschaften dienen, sondern eher deren Anspruch auf Selbstbestimmung, Bildung und kulturelle Identität entgegenstehen. So wurde die Jahrtausende alte kurdische Stadt Hasankeyf, die dem Tigris-Staudamm weichen musste, zwar durch eine Neubausiedlung an anderer Stelle ersetzt aber in zweifelhaftem Baustil und nun unter Kontrolle des türkischen Militärs stehend, das offiziell für die Sicherheit des Staudamms verantwortlich ist. Und das jesidische Dorf Çinêrya, aus dem seit den 1960er Jahren, zunächst auf der Suche nach Arbeit, dann auf der Flucht vor Verfolgung, Bewohner_innen nach Deutschland auswandern, wehrt sich ohne Aussicht auf Erfolg gegen die Errichtung eines Solarkraftwerkes auf dorfeigenem Gelände.
Zum Einsatzort für den praktischen Teil von Public Design Support Raman wurde das kurdische Dorf Zêwe, in dem in der verbliebenen Zeit zwei konkrete Projekte baulich realisiert werden konnten. Zusammen mit den Dorfbewohnerinnen sorgten die Studierenden für die gestalterische Nutzbarmachung und soziale Aktivierung des kleinen Gemeindehauses, das aufgrund des Ausbleibens der versprochenen staatlichen Finanzierung nicht fertiggestellt werden konnte. Und sie konzipierten eine gemeinschaftliche Infrastruktur für den Park von Zêwe, der dadurch als öffentlicher Ort für die Dorfgemeinde beansprucht wurde. Die Herstellung und das Streichen von Tischen, das Mauern von Sitzgelegenheiten im Außenbereich des Gemeindehauses sowie einer permanenten Grillstelle und das Errichten von Gerüsten für Sonnensegel aus ausrangierten Rohren der lokalen Erdölgesellschaft hergestellt - eines wird dann mit unter großer Anteilnahme mit dem Traktor zum Park geschleift – fand alles gemeinsam mit den Dorfbewohner_innen statt.
Im Prozess des Zuhörens, Entwerfens und Bauens entwickelte sich nicht nur eine temporäre Gemeinschaft mit vielen geteilten Aktivitäten, sondern auch ein Erfahrungswissen über die spezifische historische Konfliktlage in Zêwe und deren alltagswirkliche Auswirkungen.