Torben Spieker

Das implizite Menschenbild in Kollaborationssoftware

So ist in den letzten Jahren unter dem Begriff der „Kollaborationssoftware“ eine neue Klasse digitaler Kommunikationsplattformen entstanden, die die Erwartung wecken, dass sie in ihrer Konzeption auf Probleme der digitalen Kommunikation hinsichtlich der Abwesenheit physischer Treffen angemessen reagieren und bisherigen digitalen Kommunikationsformen in diesem Aspekt deutlich überlegen sind. Diese Erwartung hat sich aber in meiner Erfahrung in kollektiven Arbeitsprozessen bei Einsatz solcher Kollaborationsplattformen bisher nur Ansatzweise erfüllt. Oft wird funktionale Zusammenarbeit erst durch gelegentliche Realwelttreffen möglich oder bleibt bei Unmöglichkeit solcher Treffen dysfunktional. Dabei scheint Erfolg und Misserfolg weniger von der jeweiligen Natur des Projekts, sondern mehr von den persönlichen Charakteristiken einzelner Teilnehmer_innen abzuhängen, da regelmäßig dieselben Personen, ungeachtet derer Aufgeschlossenheit gegenüber der Kommunikationsmittel, ein unzureichendes Kommunikationsverhalten an den Tag legen. Dies führt mich zu der Annahme, dass existierende Kollaborationsanwendungen Gestaltungsmerkmale aufweisen, die deren Verspre­chen einer egalitären Verwendbarkeit, ungeachtet der jeweiligen Kommunikationsteilnehmer_innen, entgegenstehen und vielmehr durch ihre Funktionsmechanismen bestimmte Menschen bevorzugen.

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Denken über Design Nr. 14
material 383-14
Materialverlag, 2019

Das implizite Menschenbild in Kollaborationssoftware